Schulabsentismus

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I. Umgang mit somatischen Beschwerden

II. Schulschwänzen

III: Schulangst

IV. Schulphobie

I. UMGANG MIT SOMATISCHEN BESCHWERDEN

Psychosomatische Beschwerden sind Schmerzen, Übelkeit, Durchfall etc., für eine körperliche Krankheit nicht oder nicht hauptsächlich die Ursache ist, sondern die mit psychischen Prozessen z.B. Ängsten, Prüfungsstress oder Traurigkeit verbunden sind.

Psychosomatische Beschwerden sind Schmerzen, Übelkeit, Durchfall etc., für die eine körperliche Krankheit nicht oder nicht hauptsächlich die Ursache ist, sondern die mit psychischen Prozessen wie z.B. Ängsten, Prüfungsstress oder Traurigkeit verbunden sind. Auch wenn die Probleme psychischen Ursprungs sind, empfinden die Betroffenen sie und leiden darunter. Die Abklärung erfolgt über ärztliche Untersuchungen und kann sich mitunter länger hinziehen. Sowohl Eltern als auch LehrerInnen zeigen sich in dieser Situation häufig verunsichert, wie richtig mit dem Jugendlichen und seinem schuldvermeidenden Verhalten umzugehen ist.

Folgende Regeln haben sich aus Sicht der Kinder- und Jugendpsychiatrie bewährt:

  1. Eltern und Arzt – zeitnah Rücksprache: Wenn Beschwerden auftreten, sollte zeitnah der Kinder- oder Hausarzt kontaktiert werden. Mitunter sind langwierige medizinische Untersuchungen unumgänglich. Dennoch soll so viel normaler Alltag wie möglich bewältigt werden, d.h. besonders, weiter regelmäßig die Schule besuchen, eventuell zunächst in einem reduzierten Umfang (z.B. nur 2-4 Stunden am Tag). Es muss besprochen werden, ob eine Überweisung an den Kinder- und Jugendpsychiater/-psychotherapeuten angezeigt ist.

 

  1. Eltern und Schule – zeitnaher und regelmäßiger Kontakt: Wenn größere Fehlzeiten vorliegen oder der Schüler häufiger große Probleme mit dem Schulbesuch hat, sollten die Eltern die Schulle zeitnah informieren bzw. die Schule die Eltern kontaktieren. Eine regelmäßige, zeitweilig tägliche Rückmeldung der Lehrerinnen an die Eltern über die Anwesenheit in der Schule kann bereits zur Wiederaufnahme des regelmäßigen Schulbesuchs führen. Ein Austausch über mögliche aktuelle Belastungen und die Befindlichkeit des Jugendlichen ist wichtig.

 

  1. Eltern und Arzt – Krankschreibungen vermeiden: Wenn klar ist, dass es sich vorwiegend um psychosomatische Beschwerden handelt, helfen Krankschreibungen nicht weiter, sondern führen im Gegenteil wahrscheinlich zu einer Chronifizierung der Beschwerden. Sofern ein Attest unumgänglich ist, sollte dieses zeitlich begrenzt sein.

 

Hilfreich ist die Vorlage von therapeutischen und/oder medizinischen Berichten und  Attesten bei der Schule, in denen Empfehlungen zum Umgang mit  den Beschwerden in der Schule dargestellt sind.

Vorschläge könnten etwa sein: Der Betroffene sollte nicht vorschnell nach Hause geschickt werden, sondern darf sich bei starken Beschwerden zeitweilig in einem gesonderten Raum ausruhen (z.B. im Krankenzimmer). Die tägliche Stundenzahl sollte zunächst reduziert, dann sukzessive gesteigert werden. Der Betroffene holt täglich die (Haus-)Aufgaben bei der Schule/bei MitschülerInnen ab und erledigt diese.

 

  1. Jugendliche und Eltern – trotz Beschwerden zur Schule gehen: Eltern sollen ihr Kind ermutigen, trotz Beschwerden aufzustehen und in die Schule zu gehen. Die Verantwortung für den Schulbesuch soll aber bei dem Jugendlichen bleiben – kein übermäßiger Druck, kein Streit. Hierbei helfen klare Absprachen für den Fall von Fehlzeiten in der Schule. Der Jugendliche soll pünktlich aufstehen. Medienkonsum sollte in der Zeit des Unterbleibenden Schulbesuchs nicht erfolgen, stattdessen können z.B. schulische Aufgaben und/oder Arbeiten im Haushalt erledigt werden.

 

  1. Einschalten von therapeutischen und pädagogischen Maßnahmen: Helfen diese Maßnahmen nicht weiter, sollte zeitnah therapeutisch-pädagogische Hilfe in Anspruch genommen werden. Die Schule kann z.B. das Aufsuchen des Schulsozialarbeiters oder von schulpsychologischen Beratungsstellen oder das Hinzuziehen des Jugendamtes empfehlen. Die Eltern können in Absprache mit dem behandelnden Arzt einen Kinder- und Jugendpsychiater/-psychotherapeuten hinzuziehen.

II. Schulschwänzen

Hier handelt es sich um Schulunlust, häufig einhergehend mit depressiv-resignativen Tendenzen. Die Schülerinnen bleiben ohne Wissen der Eltern zugunsten attraktiver erlebter Orte dem Unterricht fern. Sie zeigen zudem häufig ein problematisches Sozialverhalten (oppositionell, dissozial…).


Die Ursachen sind in verschiedenen Problemfeldern zu suchen:

Häufig haben diese Jugendlichen ein negatives Selbstbild. Der Schulbesuch erscheint ihnen angesichts geringer Erfolgsaussichten als wenig sinnvoll. Sie sind vom eigenen Versagen überzeugt und bilden Leistungsängste aus. Schließlich vermeiden sie den Ort, an dem sie Versagen erleben und vermeiden daher auch Anstrengung und Leistung. Parallel dazu erleben sie sich häufig als sozial distanziert von ihren MitschülerInnen. Sie finden Anschluss als sozial deviante Gleichaltrige, die sie in ihrem Tun bestärken.

Daneben gibt es ungünstige schulbezogene Faktoren: Leistung an Förderschulen und Hauptschulen etwa findet kaum gesellschaftliche Anerkennung. Ein restriktives Schulmilieu, das SchülerInnen übermäßig reglementiert, ggf. gepaart mit einem hohen Anpassungsdruck sowie ausgeprägtem Konkurrenzdenken wirkt sich ebenfalls negativ aus. LehrerInnen erleben das willentliche Fernbleiben von SchülerInnen häufig als Kränkung. SchulschwänzerInnen werden heftig kritisiert und finden wenig Ermutigung. Wenn sie dann in der Schule sind, finden sie deutlich weniger Aufmerksamkeit als ihre MitschülerInnen.


Was kann die Schule gegen Schulschwänzen tun?

Diese SchülerInnen bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit. Sie müssen sozial eingebunden werden und sich trotz ihres Fehlverhaltens als verstanden und wertgeschätzt erleben.  Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Erfolg spielt für diese Jugendlichen eine besondere Rolle. Es müssen also Situationen geschaffen werden, in denen dies möglich ist: Arbeiten in Projekten, erlebnispädagogische Unternehmungen, sportliche, musische, soziale Angebote etc.

Weiterhin kann die Schule Unterstützung erhalten durch den schulpsychologischen Deinst, das Jugendamt und weitere Netzwerkpartner.

 

III. Schulangst

Diese entsteht aus einer Situation schulischer Überforderung heraus und geht einher mit ausgeprägter Angst vor Versagen, häufig in Verbindung mit körperlichen Beschwerden.


Sie ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Dauerhafte, unangemessene Angst vor Leistungsanforderungen, Überforderung sowie sozialen Situationen;
  • Angst vor MitschülerInnen und Mobbing;
  • Angst vor LehrerInnen;
  • Angst, gedemütigt und bloßgestellt zu werden;
  • somatische Beschwerden ohne körperliche Ursache;
  • vermeidendes Verhalten in sozialen Situationen;
  • (Angst vor) Panikattacken;
  • Angst vor Kontrollverlust in oder auf dem Weg in die Schule;
  • spezifische Angst vor Dingen (z.B. Hundephobie) auf dem Schulweg;
  • andere Ängste;
  • als nicht erfüllbar erlebte Erwartungen;
  • niedriges Selbstwertgefühl und Selbstunsicherheit;
  • Schulvermeidung i.d.R. mit Wissen der Eltern.


Die Ursachen für Schulangst sind vielfältig:

  • dispositionale Schüchternheit;
  • schulische Überforderung (z.B. aufgrund von längeren Abwesenheiten, durch die Wahl eines ungeeigneten Schultyps, zu hohen Leistungsdruck, durchindividuelle Lernschwierigkeiten);
  • zu hohe Erwartungen des Umfelds;
  • restriktiver Erziehungsstil der Eltern;
  • entmutigende Rückmeldungen der Schule;
  • abwertendes Verhalten von MitschülerInnen.


Wie kann die Schule Schulangst vermeiden helfen?

  • Individuelle Leistungsdiagnostik
  • Kontinuierliche, konstruktive Rückmeldung, auch kleine Lernerfolge sichtbar machen;
  • Schullaufbahnberatung;
  • Kontinuierliche Überprüfung und Aufbau eines angemessenen Klassen- und Schulklimas (z.B. durch Klassenratssitzungen, regelmäßige Klassengespräche, ggf. sozialpädagogische Unterstützung);
  • Prävention und Intervention bei Gewalt und Mobbing (z.B. Streitschlichterausbildung);
  • konstruktive Zusammenarbeit mit Eltern und Elternberatung;
  • Einbeziehung von Netzwerkpartnern (z.B. Jugendamt);
  • Fehlzeiten wahrnehmen, Warnsignale beachten, auf Fehlzeiten frühzeitig reagieren;
  • Selbstkritische Reflexion der Lehrkräfte und ggf. Anpassung des eigenen Lehrerverhaltens

 

IV. Schulphobie

Die Ursachen der Schulverweigerung sind hier nicht primär in der Schule zu suchen. Die SchülerInnen leiden an starken Trennungsängsten und fürchten häufig, dass ihnen selbst oder den Eltern bzw. nahe stehenden Bezugspersonen etwas zustoßen könnte.


Häufig finden sich zudem folgende Merkmale:

  • Depressive Symptomatik;
  • Stimmungsschwankungen;
  • Körperliche Beschwerden ohne körperliche Ursachen und Trennungssituationen (etwa wenn das Kind die Schule besuchen soll);
  • die SchülerInnen fühlen sich häufig verantwortlich für das häusliche Geschehen


Wie kann die Schule mit Schulphobie umgehen?

  • Leistungsdiagnostik zum Anschluss von Schulangst;
  • Enge Zusammenarbeit mit den Eltern (siehe nächster Abschnitt) und ggf. weiteren Netzwerkpartnern (z.B. Jugendamt);
  • Fehlzeiten wahrnehmen, Warnsignale beachten, auf Fehlzeiten frühzeitig reagieren (s. nächster Abschnitt);
  • Atteste/Schulbefreiungen von Ärzten kritisch hinterfragen (insbesondere bei gehäuftem Auftreten, siehe nächster Abschnitt).